Werkstatt Fehldiagnosen: "Wirtschaftlicher Totalschaden", Angebot eines neuen Fahrzeuges

  • Hallo, da in meinem Bekanntenkreis nun zum zweiten Mal in nicht mal einem Jahr so etwas vor gekommen ist, mache ich zu dem Thema einen Beitrag auf.

    Fall 1: Seat Ibiza Baujahr 2008, BXW Motor, ca. 180.000km. Halter 30 Jahre, Schreiner:

    Auto wird zur örtlichen VW / Seat Werkstatt gebracht weil die HU ansteht. Ergebnis: Wirtschaftlicher Totalschaden. Querlenker sind defekt, Zahnriemen ist fällig, Wasserpumpe ist defekt. Es werden Reparaturkosten von 2000€ genannt.

    Erstens Querlenker sind ne Lappalie und normaler Verschleiß, Zahnriemen und Wasserpumpe sind eine normale Wartung.

    Zweitens sind die Kosten dafür leicht übertrieben.

    Ich habe dem Kollegen den Zahnriemen und die Wasserpumpe gemacht. Material natürlich lächerlich günstig unter 100€. Jetzt kommt die Fehldiagnose: Einfach der örtlichen DEKRA vorgeführt, Querlenker in Ordnung, HU ohne Mängel bestanden.

    Fall 2: Kia Cee'd Baujahr 2008, 1.4 Benziner, ca. 215.000km. Halterin Anfang 40, Büroangestellte, alleinerziehend.

    Auto fährt nicht mehr richtig, ruckelt. Zur örtlichen Hyundai / Kia Werkstatt gebracht. Diagnose: Steuerkette übergesprungen. Korrekt.

    Weitere Diagnose: Verdichtung gemessen, ein Zylinder 13 Bar, die anderen 15 Bar. In einem Zylinder seien die Ventile krumm. Außerdem wäre der Motor wegen dem Gasumbau bei der Laufleistung sowieso am Ende. Dann wird noch was von einer vielleicht defekten Zylinderkopfdichtung gelabert.

    Einzige Möglichkeit Austauschmotor, bei dem Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden. Aber man behält die Kundin gerne da, um ihr mehrere Fahrzeuge zwischen 10000€ und 30000€ schmackhaft zu machen, als Leasingfahrzeug.

    Da das für die Bekannte nicht in Frage kommt, hat sie sich an mich gewendet.

    Krumme Ventile erzeugen keine 13 Bar. Daher mein Verdacht, daß es sich definitiv lohnt, da mal genauer nachzusehen. Also zu mir geschleppt.

    Steuerkette ist total labberig. Aber Verdichtung beim Drehen von Hand ist gleichmäßig. Ventilspiel ist ok, sogar meist in der Toleranz. Kettenräder sehen gut aus. Also Kette, Spanner, Gleitschienen und Wellendichtring bestellt. Die Reparatur ist nun vollendet, läuft. Keine Anzeichen auf eine defekte Kopfdichtung.

    Fehldiagnose: Von einer leicht unterschiedlichen Verdichtung auf Krumme Ventile zu schließen, ist falsch. Die Kompression wäre dabei fast null, bestimmt keine 13 Bar. Das gelaber von Zylinderkopfdichtung und Laufleistung / Gasanlage ist irreführend.

    Hätten die beiden nicht absolut null Möglichkeit gehabt, sich ein Fahrzeug im fünfstelligen Wert anzuschaffen, hätten die Händler je einen Wagen vom Hof bekommen. Neben dem üblichen gelaber wie schlimm alles ist, war je eine klare Falschaussage dabei.

    Ich weiß es ist ein hartes Geschäft. Aber so könnte ich jedenfalls nicht mit gutem Gewissen arbeiten...

    Mazda RX8 ロータリーエンジン - Rōtarīenjin

    Motor: :ams: XL 10W-40
    Getriebe: :rav: VSG 75W-90
    Achsgetriebe: :ams: Severe Gear 75W-90

  • Gutes Thema. Grundsätzlich findet man wohl am Geschäft mit der Angst nichts moralisch Verwerfliches dran. Angefangen von der kleinen Werkstatt, und bis zur höchsten politischen Ebene.

    Die Geschichte, die mir dazu einfällt. Vor 10 Jahren hatte ich endlich mein eigenes Auto, nach etlichen Jahren Leasing-Fahrzeugen wo ich mich um nichts kümmern musste. Ein Dacia Sandero war das, Vorführer, mit 7 Tsd. KM gekauft. Da jemand in der Verwandschaft eine eigene Werktstatt hatte, dachte ich, es wäre günstiger und sicherer, das Auto dort machen zu lassen. Schon beim ersten Reifenwechsel hiess es, "Deine Bremsen sind am Ende, kannst damit max noch 2000 km fahren". Es folgten noch 2-3 Besuche dort, und jedes Mal dasselbe Lied.

    Ein Jahr später bin ich zur Vertragswerkstatt gefahren, da die jährliche Wartung an stand. Hab bei der Dialogannahme extra die Frage nach den Bremsen gestellt, das Auto hatte schon um die 20 Tsd. KM drauf. Die Antwort war, dass ich damit mindestens noch soviel fahren kann, wie bis jetzt. Der Serviceberater zeigte mir sogar, wo man den Verschleiss der Beläge feststellen kann, da ich es wirklich nicht wusste.

  • Was die "großen" Werkstätten da abliefern ist schon der Wahnsinn. Die haben wahrscheinlich keinen Bock auf ältere Fahrzeuge, da werden auch gerne mal Mondpreise genannt damit der Kunde gleich wieder abhaut.

    Im Bekanntenkreis hat ein Autohaus nur sehr widerwillig einen Reparaturtermin für ein älteres Fzg. geplant, inkl. Leihfahrzeug. Ca. 2 h vor dem Termin wurde der Kunde angerufen dass das Leihfahrzeug vergriffen wäre.

    Als der Kunde dann die Reparatur gecancelt hat wurde seitens der Werkstatt erwidert dass sie eh keine Lust drauf gehabt hätten....

    Bei meinem M´chen wollte man mir die Spur neu einstellen weil die Reifen an der äußeren Schulter stärker abgefahren sind. Tja, dass kommt vom sportlichen Fahren in Verbindung mit dem OEM-FW.

    Auf meine Aussage hin dass dann schon der Sturz eingestellt werden müsste wollte die Werkstatt dann halt diesen Einstellen.... :nee: Geht aber nicht bei den vorherrschenden Prämissen.

    Es gibt da ja genügend Fälle.

    Wenn man nicht selber schraubt oder Leute kennt die das für Bier oder angemessenes Entgelt machen ist man heutzutage wirklich in die Nüsse gekniffen.

    Also wird alle drei Jahre ein neuer Eimer geleast und der Wahnsinn geht munter weiter.....

    Deswegen finde ich es immer wieder toll zu hören/sehen/lesen wenn alte/ältere Autos top gefelgt und gewartet sind und teilw. besser dastehen wie so mancher junger Gebrauchter....

    Einmal editiert, zuletzt von N55 (16. April 2021 um 14:15)

  • das ist der schlechte Verkauf; dem Kunden wird etwas aufgenötigt. Irgendwann lernt der Kunde, dass es für ihn schlecht endet wenn er irgendwohin geht...

    Der gute Verkauf ist, wenn der Verkäufer hilft das Gewünschte in reeller Qualität zum angemessenen Preis zu beschaffen.

    Ich laste es dem Zeitgeist an, dass es immer mehr Egoismus und Mißtrauen gibt. Man kann keinem mehr trauen und alle wollen mein Geld !

  • Gutes Thema. Grundsätzlich findet man wohl am Geschäft mit der Angst nichts moralisch Verwerfliches dran. Angefangen von der kleinen Werkstatt, und bis zur höchsten politischen Ebene.

    Moralisch verwerflich nicht, wenn die einem die alte Karre madig reden. Ist ja klar, daß die Verkaufen wollen. Und der eine oder andere Kunde möchte ja schon mal was neues haben.

    Aber eine definitive Falschaussage zu treffen ist dreist. Querlenker tauschen wollen, die locker durch die HU gehen ohne auch nur angesprochen zu werden, das ist schon verarsche.

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  • als mein Schwager mit seinem BMW E46 (N42 Motor) bei BMW ein paar Teile holte, wollte der Wagen auf dem BMW Hof auf einmal nicht anspringen, der Meister meinte sofort das die Kette daran schuld ist und kam in Minuten mit einem Kostenvoranschlag von ein paar Tausend € und einen Tipp sich die Autos im Verkaufsraum anzusehen, als ich hinkam war mir sofort klar da ist nichts mit Kette (obwohl die N42 Motor schon ein Kettenproblem haben), da ist einfach kein Sprit da, Rücksitzbank raus und ein Schlag auf den Bereich wo die Pumpe sitzt brach den Wagen zum laufen, der Meister sah mich sehr schief an, die Pumpe haben wir im Zubehör gekauft, da die bei BMW irgendwie vergoldet war :yes: der Wagen lief die nächsten Jahre absolut problemlos

  • Als ehemaliger Mechaniker möchte ich zu bedenken geben: Man erzählt immer gern von Fällen wo was zur Unzufriedenheit geführt hat, hattet ihr nie Fälle wo die Werkstatt hilfreich und kompetent war?

    Und Maddin ,die Querlenker (bzw. Deren Lager) sind bei den Ibizas durchaus problematisch und gehen gern kaputt. Der Dekra Prüfer kann auch einfach nicht so genau geschaut haben wie die Werkstatt.

    Die sind da auch durchaus in der Zwickmühle, schreiben sie einen Mangel nicht auf, kommt der Kunde später und klagt man hätte nicht gut genug geschaut. Schreibt man alles auf ist man ein übertreibender Halsabschneider. Über die Kosten brauchen wir nicht reden, das ist teuer. Aber für die Teile und Arbeitspreise kann der Mechaniker selber nunmal auch nichts.


    Und warum Vertragswerkstätten keine Lust auf Alte Autos haben? Selber Grund wie oben. Schreibt man alles auf ist man zu teuer, macht man nur das nötigste ist man nicht genau genug. Mit den Kunden die normalerweise ältere Fahrzeuge bewegen kann man sich oft nur schwer einigen.

    Viele Grüße,
    Sebo

    Betreut:
    Golf 4 1.9 TDI 110 PS VEP @ Ravenol NDT + Archoil 9100

  • Ich habe in der selben Werkstatt Kia /Hyundai früher meinen Galant warten lassen. Da war das noch ein Mitsubishi Vertragshändler. Die haben ein Lager im Getriebe gewechselt, Krankheit beim V6. Mit der Werkstatt war ich super zufrieden. Gute Kommunikation und gute Lösungen.

    Da lässt man gerne auch mal ein paar hundert Euro, oder sogar vierstellig, weil alles Hand und Fuß hat, auch für einen technisch versierten die optimale Lösung ist. Und unterm Strich Preis und Leistung stimmen.

    Deshalb war ich überrascht, aber ist halt auch schon über zehn Jahre her und nun ne andere Marke.

    @Audi-20VT , 2000€ für Zahnriemen und Querlenker bei nem Ibiza, trotzdem lächerlich. Knapp über die Hälfte wäre schon gut verdient.

    Auch einen Ventilschaden diagnostizieren bei Kompression durchweg über 13 Bar ist eigentlich verarsche.

    Mazda RX8 ロータリーエンジン - Rōtarīenjin

    Motor: :ams: XL 10W-40
    Getriebe: :rav: VSG 75W-90
    Achsgetriebe: :ams: Severe Gear 75W-90

  • Den Eltern von einem ehemaligen Schulfreund hat Toyota Deutschland vor ein paar Jahren den Laden dicht gemacht. Der war weit und breit bekannt dafür, viel und gut und fair zu reparieren. Die Fahrzeuge sind eh ziemlich robust, er und seine Autos genossen besten Ruf. Über die Jahre hast sich im Umkreis der Toyota Marktanteil extrem gut entwickelt.

    Er musste schließen, weil die Zahlen nicht erfüllt bei Neuwagen verkäufen. So hart ist das Geschäft, die sind da gnadenlos. Muss man auch sagen, die Händler sind gezwungen, ihre Karren unter die Leute zu bringen.

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    Motor: :ams: XL 10W-40
    Getriebe: :rav: VSG 75W-90
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  • Zur grundlegenden Info:

    Hier im Thema werden nur Fälle besprochen, die mit einem Fahrzeugangebot im Zusammenhang eines mitgeteilten wirtschaftlichen Totalschadens zu tun haben. Es geht also explizit darum, ob ein/e Händler/Werkstatt durch fehlerhafte oder bewusste Falschdiagnose einem ein Fahrzeug andrehen wollte.

    Für alle sonstigen Erlebnisse mit Händlern/Werkstätten im Bereich der Reparatur und/oder des Service bzw. der Wartung nutzt bitte diesen Thread: Öl/Werkstatt-Service? Eine Frage des Vertrauens!

    Audi-20VT hin & wieder wird durchaus auch etwas positives verkündet: Beitrag #444

  • Das einem Autohäuser ab einem gewissen Alter auch mal ein neues Auto verkaufen wollen finde ich jetzt grundsätzlich nicht verwerflich. In meinem Umfeld sehe ich es ja auch, dass der Großteil von ganz alleine den Autos die Wirtschaftlichkeit abspricht, sobald irgendwo 8 Jahre erreicht sind oder der Wagen auf die 100.000 zu geht. Für mich auch unverständlich.

    Fall 1 sollte man mit gesundem Menschenverstand aus meiner Sicht auch als Laie beurteilen können. Bei der Laufleistung steht der zweite Zahnriemenwechsel regulär an. Da wechselt man die Wapu eh mit. Das hat mich bei dem Motor bei allen drei Wechseln jeweils rund 600 Euro gekostet (zweimal Vertragswerkstatt, einmal freie Werkstatt. Querlenker wechseln kostet jetzt auch nicht die Welt, sodass ich die aufgerufene Summe frech finde.

    Fall 2 finde ich da schon schwieriger. Eine übergesprungene Kette kann ja von bis an Schaden produzieren. In so nem Fall kann man als Betroffener ja auch nicht noch durch die Gegend fahren und Preise vergleichen und um den Schaden final beziffern zu können geht natürlich auch erstmal Geld drauf, wenn man dann feststellt, dass es wirklich nicht lohnen sollte. Das setzt natürlich dann deutlich mehr unter Druck vielleicht einen anderen Wagen zu kaufen.

    Ich bin seit einigen Jahren in einer freien Werkstatt und sehr zufrieden. Davor war ich bei einem Servicepartner eines Autoherstellers, der aber kein Offizieller Händler war. War auch okay. Dank der Erfahrungen mit Werkstätten großer Autohäuser habe ich davor aber 15 Jahre lang gar niemanden mehr an mein Auto gelassen und alles selber gemacht.

  • Auf meine Aussage hin dass dann schon der Sturz eingestellt werden müsste wollte die Werkstatt dann halt diesen Einstellen.... :nee: Geht aber nicht bei den vorherrschenden Prämissen.

    Ich habe heute noch ein Bedienteil auf Garantie bekommen. Dem Serviceberater ist dann tatsächlich an dem Auto aufgefallen dass sich am Fahrwerk was getan hat.

    Wir haben dann ein wenig gequatscht und er hat sich die Domlager mal zeigen lassen.

    Seine Nachfrage ob die HA auch neu gemacht wurde hat mich jetzt nicht erschüttert....

    Ich werte das grundsätzliche Interesse einfach mal positiv...