Hallo Zusammen,
ich versuche mal den Motor in meinem 997 Coupé zu beschreiben und auf mögliche Problemstellen hinzuweisen. Daher beziehe ich mich auch hauptsächlich auf den in meinem Wagen verbauten Motortyp M96.05. Bin nur technisch interessierter Laie mit "halben" Maschinenbau Ing. Studium. (Die andere Hälfte war BWL ;.)
Bei dem 325 PS starkem Motor mit der Kennung M96.05 handelt es sich um einen Ottomotor mit Einspritzung und Wasserkühlung. Der Ottomotor erzeugt aus seinen 3,6 Liter Hubraum eine Leistung von 239 kW (325 PS).
Verweis: Sein leistungsgesteigertes Pendant (größere Bohrung) ist der M97.01 er erzeugt aus 3,8 Liter Hubraum eine Leistung von 261 kW (355 PS) und hat ein maximales Drehmoment von 400 Nm.
Beide sind Boxern Sechszylinder mit 24 Ventilen (4 Ventile pro Zylinder). Der Motor wird wie beim 911er üblich als Heckmotor verbaut und in der Modellreihe 997.1 (Vor Facelift bis ca. 2008).
Der Motor ist durch seine Probleme in der Haltbarkeit der Oberflächen der Kolben / Zylinderwand-Paarung bekannt. Diese lassen sich bisher aus externer Sicht nur mutmaßlich erklären, nur Porsche besitzt wahrscheinlich die ganze Statistik und kennt die Zusammenhänge besser. Nicht einfacher für eine Erklärung der Einfluss Faktoren ist die Tatsache, dass manche Motore bereits bei 30 tkm Kolbenfresser aufweisen, andere erst bei 200 tkm. Das lässt vermuten, dass das tribologische System in bestimmten Grenzen / Betriebszuständen stabil ist, bei Änderung einer/mehrerer Variablen aber instabil und fehleranfällig wird. Welche Variablen das sein können, wird später noch dargestellt.
Bei dem M96.05 handelt es sich um den berüchtigten "Lokasil" Motor: Lokales Alusil. Das war vom Hersteller (Kolbenschmidt / Pierburg?) eigentlich eine geniale Idee. Nur die Zylinderlaufflächen sollten aus der harten Silizium-Aluminium-Legierung bestehen, alle andere Teile aus Alu-Legierung, die sich so leichter und kostengünstiger bearbeiten lassen. Die Silizium-Aluminium Laufflächen im Zylinder wurden durch einlegen von Silizium-Pre-Pregs vor dem Gießvorgang dargestellt. Sie bestehen aus Silizium Kristallen, die "irgendwie" in einer Form gebunden sind (wahrscheinlich mit Harzen) und das was bindet löst sich unter Hitze beim Gießen auf. Ich gehe mal davon aus, dass sich die Lauffläche ansonsten wie eine aus Alusil verhält, aber es ist unklar, ob die lokalen Silizium Partikel gleich fest eingebunden sind, wie bei Alusil (hypereutektische Silizium-Legierung, aus der der gesamte Motor besteht, die Silizium-Kristalle lagern sich auf den Laufflächen ab. Das Alu wird leicht weggeätzt und die Sil-Partikel bilden die Lauffläche.) Unbekannt, ob noch gehont werden muss. Ich stelle mir die Sil-Partikel als zu spitz vor und gehe davon aus, dass nach dem Ätzen auch nochmal gehont wurde. Oder das Einlaufen reicht und die Kolbenringe erzeugen dann die abgeflachten Silizium Kristalle?).
Wie es Porsche schon bei den luftgekühlten Boxermotoren vorgemacht hat, werden die Hubräume von Generation zu Generation vergrößert. Porsche hat die Grundgußform für die ersten wassergekühlten Motore für den 986 Boxster und 996 911er von 2,5 l (M96.20) bis zum 997 911er S auf 3,8 l (M97.01) stetig erweitert. Dazu wurde die Bohrung immer wieder vergrößert, was bei gleichgroßem Motorgehäuse zu immer dünneren Zylinderwänden führte. Weiterhin sind die Zylinder als "open deck" ausgeführt, sind oben also nur über die Zylinderkopfdichtung abgestützt. In der Literatur / Internet ist zu lesen, dass dies zu ovalen Zylinder führt, die ggf. einen Einfluss auf die Problematik des Laufflächen-Verschleißes ("bore scoring") haben. Der 3,6er und insbesondere 3,8er haben also die dünnsten Zylinderwände. Dies wird gerne als Argument herangeführt, dass beim 3,8er dieses Problem am häufigsten auftreten soll. Generell sind wenig bis keine statistischen Daten über die Häufigkeit vorhanden, aber wenn der 3,8er absolut häufiger bore scoring aufweist, dann liegt das meiner Meinung nach daran, dass ca. 3/4 der 997 in der S Version mit dem 3,8er geordert wurden.
Baz Hart von Hartech in UK führt noch aus, dass Porsche bzw. der Gußhersteller die Aluminium Gußlegierung, mutmaßlich mit dem 3,6er, geändert hat. Ab dem 3,6er im 996 wird das Lokasil II verfahren eingesetzt, bei dem die Siliziumkristalle größer sind, um eine erhöhte Steifigkeit zu erreichen. Damit soll das "D-Chunk" Problem beim 3,4er und kleiner adressiert werden. Dort haben sich oben am Zylinder Ausbrüche gezeigt, die häufig die Form eines "D"s hatten. Über dieses Ausbrechen ist beim 3,6/3,8er tatsächlich kaum noch etwas zu lesen.
Allerdings verursachen die größeren Siliziumkristalle beim Rausbrechen aus der Matrix während des Betriebs d.h. der Kolbenhubbewegung nun ggf. das Verschleißproblem, da sie größer als das Kolbeneinbauspiel sein können. Klingt logisch und Hartech ist eine der wenigen Firmen am Markt, die die Probleme der M96-Motoren intensiv und annähernd wissenschaftlich untersucht haben.
Hier kommt nun die zweite Komponente ins Spiel: Der Reibpartner der Zylinderlaufbahn, d.h. der Kolben. Nach meinem Wissensstand sind alle Motore bis 3,4 l Hubraum mit gegossenen Alukolben bestückt. Die höheren Verbrennungsdrücke im 3,6 und 3,8 l haben jedoch geschmiedete Alukolben notwendig gemacht. Diese besitzen im Gegensatz zu gegossenen Kolben positive Eigenschaften, insbesondere eine höhere Haltbarkeit. Diese wird jedoch zum Preis der schnelleren Wärmeausdehnung erkauft, weshalb geschmiedete Kolben ein größeres Einbauspiel als gegossene besitzen müssen (Der Spalt um den Kolben herum zur Zylinderwand, in der Größenordnung hundertstel mm). Hieraus lässt sich die Empfehlung ableiten, den Motor langsam und bei mäßiger Last (bis ca. 3000 Umdrehungen) warm zu fahren, bis sich die gesamte Masse des Motorblocks und der Kolben auf eine gleichmäßige Motortemperatur erwärmt haben. Maßgeblich ist hierbei die Öltemperatur, die um die 90 Grad anzeigen sollte, bevor der Motor höher belastet wird.
Nicht nur die Herstellung der Kolben (geschmiedet) sondern auch deren Beschichtung weicht beim 3,6/3,8 l Motor ab: Diese sind nicht mehr Ferrostan beschichtet sondern mit Ferroprint. Ferrostan wurde galvanisiert und stellte meiner Ansicht eine harte "kratzfeste" Oberfläche dar, die den frei-werdenden Silikonpartikeln widerstehen konnte. Mutmaßlich aus Umweltgründen wurde dieses Verfahren jedoch eingestellt und Ferroprint eingesetzt (Patent der Firma Mahle, 1999 in den Markt eingeführt. Quelle: Chronik der Firma Mahle). Ferroprint wird durch Siebdruck aufgebracht und ist scheinbar ein denkbar schlechter Reibpartner für Lokasil Laufflächen. Dies belegen viele Bilder von beschädigter bis hin zu vollständig abgeriebener Ferroprint Beschichtung der Kolbenhemden im Internet. Ich könnte mir erklären, dass bei höheren Zylindertemperaturen die Klebefähigkeit von Ferroprint abnimmt und diese Beschichtung daher schneller verschlissen ist. Dies Zeigen auch Bilder von "Flaking", bei denen kleine Bereiche der Beschichtung fehlen, drum herum aber diese noch vollständig intakt ist.
Nach Lektüre von deutschen und amerikanischen Foren und Durchsicht von vielen You-Tube Videos gibt es folgende Rahmenbedingungen, die Bore-Scoring beeinflussen bzw. kennzeichnen:
· In der Regel sind die Kolben der rechten Seite (von hinten in Fahrtrichtung gesehen) stärker betroffen, als die der linken Seite. Da durch eine Kreuzung im Abgasstrang das Abgas dieser rechten Seite aus der linken Abgasblende strömt, ist eine stärkere Verschmutzung / Verrußung dieser linken Blende ein Indiz für Bore-Scoring.
- Die Zylinder der rechten Seite werden von 4 = am nächsten zum Heck, über 5 = in der Mitte bis zu 6= am nächsten zur Motortrennwand zum Innenraum durchgezählt. Dabei erweist sich der 6te Zylinder als besonders anfällig für Bore-Scoring. Weshalb bei einer endoskopischen Kontrolle hier begonnen werden sollte.
- Auch die Zylinderlaufflächen sind auf der Druckseite durch Riefen beschädigt. Wie diese genau entstehen kann ich nicht sagen. Sind es: a) Die Bahnen der freien Siliziumpartikel, die zwischen Kolben und Zylinderwand gefangen, wie Schmirgelpapier auf- und ab bewegt werden?
- Angeblich hat der 3,6 l etwas weniger Neigung zu Bore-Scoring als der 3,8 l. Dies glaube ich nicht, sondern die Verteilung spiegelt einfach die verkauften Einheiten der Modelle wieder.
- Die Beschichtung der Druckseite der Kolben ist immer beschädigt, die der gegenüberliegenden Seite fast immer vollständig intakt.
- Diese Problematik zeigt sich bei einigen Besitzern schon recht früh (zwischen 30 - 80 TSD Kilometern), andere erreichen mit ihren Motoren über 200 TSD Kilometer. Neben einer technischen Prädisposition des tribologischen Systems ist also auch das Nutzer (Fahrprofile) bzw. Umweltverhalten (Außentemperaturen) ein maßgeblicher Faktor.
- Vermeintlich neigen Fahrzeuge mit Automatik (Tiptronic) stärker zu Bore-Scoring, da diese im zweiten Gang anfährt (Stimmt das? Ich selber habe einen Schalter.) bzw. durch die Schaltprogramme eher untertourig fährt (Untertouriges Fahren erzeugt erhöhte Kräfte des Kolbenhemdes der Druckseite auf die Zylinder Laufbahn).
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