Hallo liebe OCler,
Ich mache diese Kategorie mal auf, da hier im Forum vor einigen Monaten mal die Restauration von einem Amboss gepostet wurde, was anscheinend einige interessiert hat.
Wie sicher einigen von Euch aufgefallen ist, bin ich trotz meines jungen Alters von nun fast 20 Jahren tendenziell eher auf alte Dinge fixiert, die haben irgendwie einen besonderen Charme und eine gewisse Anziehungskraft auf mich.
Ich bin außerdem selbsternannter Gourmet und bereite mir meinen Kaffee seit einiger Zeit selbst in einem so einem einfachen Bialetti-Espressokocher. Mit ein paar Tricks, die mir ein sizilianischer Freund beibrachte (ich habe seit kleinauf familär bedingt eine gewisse Verbindung zu Italien), kann man mit dem kleinen Teil durchaus Kaffee kochen, der es mit den meisten Vollautomaten aufnehmen kann.
Aufgrund dieser Charakterzüge fiel es mir schwer zu widerstehen, als ich aus heiterem Himmel eine wirklich besonders aussehende, alte Kaffeemaschine zum Spottpreis erblickte.
Es handelt sich um eine sogenannte Vesuviana (Made in Italy) aus den 1950er Jahren. Massives Metall, Griffe aus Bakelit, 4 Schrauben, 3 Dichtungen. Das wars. Ein Ding für die Ewigkeit und nahezu sympatisch simpel in den heutigen Zeiten der Plastik-Monster-Maschinen.
Als die Maschine bei mir ankam, war mir aber auch klar, warum der Preis so niedrig war... Der Deckel klemmte und ich musste ihn mit einem Schraubenzieher aufhebeln, wie die Maschine von innen aussah, überlasse ich mal der individuellen Vorstellung eines jeden Lesers, um ihm den Appetit nicht vollends zu verderben. Ich sage nur zwei Wörter: Moder und Schimmel! Anscheinend wurde die Maschine mit halbvollem Wasserreservoir eingemottet, was über die Jahre richtig eklige Auswüchse angenommen hat, und das Wort Auswüchse ist hier wörtlich zu nehmen.
Man verzeihe mir bitte, dass ich kaum Vorher-Bilder gemacht habe. Ich war mir aufgrund des Zustands der Maschine von innen aber gar nicht sicher, ob sie überhaupt zu retten ist.
Ich machte mich relativ zügig ans polieren, um zu sehen, was aus der grauen Maus überhaupt noch rauszuholen ist und siehe da:
Es werde Licht!
Danach machte ich mich direkt ans Polieren der gesamten Maschine mit einer eher aggressiven chemischen Politur. Dabei muss man natürlich aufpassen, dass nichts ins Innere der Maschine gelangt, schließlich wollte ich aus ihr später noch guten Gewissens Kaffee trinken können. Ich habe die Öffnungen verschlossen bzw. abgeklebt und habe mich sogleich ans Polieren gemacht, das Resultat konnte sich durchaus sehen lassen:
Anschließend habe ich die Maschine auseinandergebaut, um sie nun auch von innen besser reinigen zu können. Zu diesem Zweck habe ich in der Maschine mehrfach Zitronensäure und auch Essig aufgekocht und von innen mit Stahlwolle poliert. In der hinteren Ecke des Badezimmers fand ich noch einige Zahnspangenreinigungstabletten (was für ein Wort...), die ebenfalls zweckentfremdet wurden. Das Resultat war eine Maschine, aus der man sich nicht mehr ekeln musste, Kaffee zu trinken oder auch nur hineinzusehen.
Die Maschine arbeitet nach dem Perkulator-Prinzip. Das Wasserreservoir wird durch die optionale Heizspirale, oder indem man die Maschine einfach auf den Herd stellt erwärmt, das Wasser fließt unter Druck durch das Steigrohr und wird schließlich durch den Siebträger mit Kaffee gepresst und läuft in die Tasse. Ein sehr einfaches, obgleich effektives und sehr schonendes Prinzip der Kaffeezubereitung mit dem sich optimale Ergebnisse erzielen lassen. Crema macht diese Maschine jedoch nicht, da es dazu sehr hohe Drücke von ca. 6-9bar braucht, wohingegen Perkulatormaschinen mit 1-1,5 bar arbeiten.
Dann machte ich mich ans Erneuern der Dichtungen. Zu diesem Zweck habe ich lebensmittelechte Silikonplatten gekauft, aus denen man Dichtungen frei einfach von Hand ausschneiden kann. Genial, und vielleicht auch ein Tipp der für den Ein oder Anderen hier nützlich sein könnte. Überraschenderweise machte die Dichtung am Steigrohr sogar nach fast 70 Jahren einen immer noch so guten Eindruck, dass ich es nicht für nötig hielt, sie auszutauschen (der lange Stab im Bild).
Die Dichtung des Deckels und vom Siebträger waren hingegen komplett zersetzt:
Das war leider ein ordentliches Stück Arbeit, da die Dichtung des Siebträgers nicht quadratisch, sondern leicht dreieckig war. So musste ich mir die Dichtung anschließend noch etwas mühevoll mit einem Skapell zurechtschnitzen. Ich musste auch zwei Dichtungen übereinanderlegen und mit Sekundenkleber (nicht dem Alleskleber dahinter, der ist wasserlöslich!) verkleben, da die Originaldichtung sehr dick war.
Immerhin dichteten Deckel und Siebträger aber wieder ordentlich gegen den entstehenden Druck ab:
Der Metallzylinder in der Mitte des Deckels ist übrigens das Überdruckventil. Der schwere Stahlzylinder ist auf einer Stange in den Deckel eingelassen. Steigt der Druck im Inneren der Maschine zu sehr an, drückt es den Zylinder hoch und der Überdruck entweicht. Simpel, genial und nach 70 Jahren nach ein paar Tropfen Zitronenöl zur Schmierung immernoch funktionsfähig.
Warum Zitronenöl? Ganz einfach, im Inneren der Maschine wollte ich nach aller Möglichkeit keine Chemie verwenden und Zitronenöl hat im Gegensatz zu anderen Pflanzenfetten den riesigen Vorteil, dass es nicht ranzig wird. Damit öle ich auch regelmäßig das Griffbrett meiner Gitarre.
Anschließend wurde die Maschine wieder zusammengebaut, Schraubengewinde und Dichtungen wurden ebenfalls leicht mit besagten Zitronenöl beschmiert, damit nichts klebt oder rostet und es kam die Bewährungsprobe:
Die Maschine auf den Herd gestellt, nach 2-3 Minuten beginnt es, zu zischen. Nach 3-4 Minuten drückt die Maschine unter leichtem gluggern, brodeln und zischen das Wasser aus dem Tank nach oben. Hitze auf null stellen, sonst wird der Kaffee zu heiß gebraut und es entstehen Bitterstoffe. Langsam, aber stetig drückt es das Wasser durch den Kaffee in den Pott und es duftet herrlich nach Kaffee.
Freude: Die Maschine funktioniert absolut perfekt, die Dichtungen halten dicht, Bewährungsprobe bestanden.
Wie bereits erwähnt produzieren solche Maschinen keine Crema, da der Druck einfach nicht ausreicht. Dafür bereiten sie den Kaffee mit niedriger Temperatur sehr viel schonender zu, sodass der Kaffee, obwohl stark, nie bitter wird. Außerdem bieten sich dem Kaffeeliebhaber tausende Drehschrauben, mit der Menge an Kaffee im Siebträger, der Menge an Wasser im Tank, der Sorte Bohnen und deren Mahlgrad den optimalen Kaffee nach seinen Wünschen zu zaubern. Natürlich kann man ihn dann noch mit etwas Milch oder Zucker nach belieben verfeinern...
Für mich die perfekte Kaffeemaschine, die hoffentlich in meinen Händen auch die nächsten 70 Jahre überdauern wird.
LG