HTHS-Anforderungen nach Sommerfeld berechnen?

  • Moin euch.

    Wir müssen mal diese Sommerfeld-Berechnung zur Ermittlung des min. HTHS für Motoren besprechen:

    SAE20 wurde gefragt, welcher HTHS bei folgenden Daten erforderlich wäre: max Drehmoment = 700NM bei 2250 U/min
    Antwort nach der Sommerfeldzahl = 2250/700 = 3,2 + 0,2 = 3,4 wurde mit dem Zusatz "ungefähr" bestätigt. (Schätzwert, Näherungswert für Fzg.>600Nm)

    Ich stimme 53Fatman zu, und sehe diese Berechnung ebenfalls als unrealistisch an:

    In meinen Augen totale Glaskugelraterei.

    Wieviel Zylinder? Bohrung/Hub Verhältnis? Wie viele Lagerstellen? Durchmesser der Lager? Breite der Lager? exakte Lagergeometrie? Lagerspiel? Die Liste kann man noch fortsetzen, alles das hat Einfluss auf die Belastung pro cm² und somit die erforderliche Schmierfilmdicke/HTHS.

    Welchen min. HTHS ein Motor benötigt, kann unmöglich mit einer fixen Formel berechnet werden, ohne unzählige Konstruktions-Details zu kennen.
    Allein die Lager bieten dermaßen viele Variablen, dass man nicht einfach mit Drehmoment bei Drehzahl X die Belastung des Schmierfilms, und somit den benötigten HTHS ermitteln kann.

    Bevor wir das also in die Beratungen einbringen, sollten wir darüber erstmal diskutieren.

  • Hat denn bisher jemand nachvollzogen in welchem Kontext Sommerfeld die entsprechende Formel benutzt bzw. für gültig erklärt?

    Und hat jemand die Formel (welche? Wo ist sie? In dem zitierten Post von tcop vermutlich nicht) nachvollzogen/verstanden?


    Edit:
    Also die Sommerfeld Nummer ist ja lediglich:
    S = N/M

    Und HTHS_min soll dann:
    hm = C1+C2*S^0,5

    sein? Wo nimmt man C1 und C2 her?

  • Ob Aufladung per Turbolader/Kompressor oder nicht, darf bei einer funktionierenden Formel keine Rolle spielen.
    Denn ob Drehmoment X nun durch Hubraum oder Aufladung erreicht wird, ist irrelevant. Drehmoment ist Drehmoment, und somit ist die Belastung X vorhanden.

    Das Beispiel mit dem Honda zeigt direkt auf, dass diese Berechnung keine solide Basis hat, und die Ergebnisse bei vielen Motoren nur zufällig im Bereich der 3,x liegen.

  • Das kann doch unmöglich die ganze Formel sein, Ihr rechnet ja nur Drehzahl geteilt durch Drehmoment, was zur Folge hat, umso geringer das Drehmoment oder umso geringer die Drehzahl umso höher der "Wert", es müsste ja andersrum sein :D

    Gruß

    Karsten

  • Vielleicht findet die Formel nur Anwendung ab einem bestimmten (hohem) Drehmoment. ?(
    Könnte es dann eher Sin machen?

    Gruß Andreas
    Benz C220d OM651 (125kW): Kroon PolyTech 5W-30, RUP 5W-40 (+AR9100)
    NewBeetle Cabrio 1.8T (110kW): Total 7000 10W-40, RUP 5W-40 (+WS2 +Rektol Keramik Verschleißschutz +Rektol Super 2T)
    Honda F360 (Gartenfräse 3kW): Castrol Supercar 10W-60 +WS2 (+AR6900)
    Zipper Zi-RPE60 (Rüttelplatte, 4kW): Castrol Supercar 10W-60 +WS2 (+2T Öl)

  • Betrachte die (uns bekannten) Eingangsparamater, dann kann man gut abschätzen wie sinnvoll die bisher unvollständige Formel ist.

    Aktuell sieht es so aus dass maximal eine Person davon ausgeht die Hintergründe verstanden zu haben, die Formel zu kennen und anwenden zu können. Allerdings will diese Person darüber nicht reden. ?(

    Edit:
    Hier eine alternative Formel nach dem HTHS_master_formula Verfahren:

    :ok:

    6 Mal editiert, zuletzt von mastergamer (27. Februar 2020 um 16:06)

  • @Andiy diese Formel wie hier im Thread angewendet ist einfach keine. Das Beispiel aus #1 ergibt dann bei doppeltem Drehmoment von 1400 nur noch 1,6.

    Das ist einfach nicht die komplette Formel.

    Aber wie @Tequila009 schon von mir zitiert hat, selbst eine ausgefeilte Formel bringt gar nichts wenn Sie nicht die gesamten Bedingungen im Motor (Geometrie, Lagerstellen...) mit einbezieht.

    Gruß

    Karsten

  • Kam denn eigentlich mal jemand In den Sinn, der Verfechter der HTHS Berechnung nach Sommerfeld ist, dass der gute Mann von 1868-1951 gelebt hat. ?( :überleg:

    Wie die damaligen Motoren aussahen und wie sie heute aufgebaut sind, hat wohl mit der damaligen Zeit nichts mehr zu tun. Jedenfalls nur im Ansatz.

    :aral: Ultimate 102 :she: V-power Racing 100 :red: 10W50
    :milloil: [color=#000000]CRX LS 75W90 NT+

  • Oh Gott, hier geht gerade so viel durcheinander, was die Sommerfeldzahl ist, kann und aussagen soll - lasst mich ein bischen dazu ausholen:

    Grundsätzlich beschreibt die Sommerfeldzahl einen Zusammenhang zwischen Lagergeometrie, Lagerlast, Viskosität des Schmierstoffes und Drehzahl auf der einen Seite und Betriebszustand eines hydrodynamischen Gleitlagers auf der anderen Seite. Das ist erst einmal unabhängig von der Anwendung, d.h. auch wenn die Kennzahl deutlich vor der Entwicklung moderner Motoren entstanden ist bedeutet das nicht, dass man sie nicht auch für "moderne" Lager anwenden könnte.

    Prinzipiell kennt das hydrodynamische Gleitlager (neben dem Stillstand) zwei relevante Betriebszustände - Mischreibung (d.h. vereinfacht "gelegentlicher" Kontakt zwischen Welle und Lagerbuchse) und Flüssigkeitsreibung bzw. Gleitreibung (d.h. Welle und Buchse sind permanent durch einen Schmierfilm getrennt). Interessanterweise treten die geringsten Reibungsverluste gerade im Übergang von der Mischreibung zur Gleitreibung auf, d.h. für einen Motorenhersteller ist es unter Wirkungsgradaspekten durchaus naheliegend, in diesem Grenzbereich unterwegs zu sein.

    Auf Basis dieser Parameter, die den Betriebszustand des Lagers beeinflussen, hat Sommerfeld eine Kennzahl definiert, die es erlaubt, den zu erwartenden Betriebszustand des Lagers abzuschätzen. Das heisst vereinfacht, zwei Lager mit unterschiedlicher Last, unterschiedlicher Geometrie, unterschiedlichem Schmierstoff und unterschiedlicher Drehzahl haben trotzdem einen ähnlichen Betriebszustand, solange die Sommerfeldzahl ähnlich ist.

    Definiert ist die Sommerfeldzahl So als

    p bezeichnet die relative Lagerlast (Kraft auf das Lager geteilt durch die projezierte Lagerfläche, d.h. Lagerdurchmesser mal Lagerbreite), Ψ das relative Lagerspiel (Differenz zwischen den Durchmessern der Buchse und der Welle geteilt durch den Nenndurchmesser), η die dynamische Viskosität des Schmiermittels und ω die Winkelgeschwindigkeit (sprich die Drehzahl, aber von Umdrehungen pro Minute in rad pro Sekunde umgerechnet).


    In die Sommerfeldzahl fließt also ein:

    • Die Belastung des Lagers (sprich die Kraft auf das Lager, aber nicht direkt das Drehmmoment an der Kurbelwelle, dazu später mehr)
    • Die Geometrie des Lagers, also Breite, Durchmesser und Lagerspiel
    • Die Viskosität des Schmierstoffes
    • und die Drehzahl der Welle

    Insgesamt also all die Parameter, von denen einige hier zurecht "fordern", dass sie auch berücksichtigt werden müssen.

    Was Sommerfeld noch experimentell rausgefunden hat, ist das für Werte der Kennzahl zwischen 1 und 10 Gleitreibung auftritt während für Werte über 10 Mischreibung auftritt. Unter dem Aspekt des besten Wirkungsgrades wäre also So=10 anzustreben, Werte deutlich kleiner als 10 geben mehr "Reserve" zur Gleitreibung (und gleichzeitig einen abnehmenden Wirkungsgrad), Werte über 10 führen immer weiter in den Bereich der Mischreibung hinein (mit ebenfalls wieder abnehmendem Wirkungsgrad und zunehmendem Potential für erhöhten Verschleiß).

    Was bedeutet das jetzt?

    Wenn ich mir einen gegebenen Motor anschaue (d.h. die Parameter der Lager- und sonstigen Motorgeometrie sind fest) kann ich mir die Formel zu

    umschreiben. Dabei ist jetzt k eine Konstante, die die Geometrie von Lager und Kurbelwelle (-> Zusammenhang zwischen Drehmoment und Kraft aufs Lager) beschreibt und M das Drehmoment (Ja, das ist ungenau - wärend das Drehmoment des Motors als "konstant" angenommen wird hängt die Kraft auf das Lager natürlich von der Position des Kolbens und dem aktuellen TAkt des Zylinders ab. Aber für eine grundsätzliche Betrachtung reicht das so).
    Wenn ich jetzt also Drehzahl, Drehmoment und die Geometriekonstante kenne und eine bestimmte Sommerfeldzahl anstrebe (beispielsweise 5 - Versagen des Schmierkeils, d.h. Mischreibung wollen hier ja fast alle vermeiden) kann ich mir die benötigte Viskosität des Öls berechnen:

    k' ist eine weitere Konstante, die die angestrebte Sommerfeldzahl und k zusammenfasst - mir geht es um den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen Drehzahl, Drehmoment und Viskosität.

    Man sieht - die benötigte Viskosität ist proportional zu dem Verhältniss aus Drehmoment und Drehzahl. Also so, wie von @53Fatman vermutet hat und genau umgekehrt, wie von dem Nutzer auf oil-club.ru behauptet. Die Formel, bzw. Aussage im Ausgangspost ist also schlichtweg Blödsinn.

    Und noch was grundsätzliches dazu - keine halbwegs seriöse Kennzahl kommt ohne Einschränkungen des Gültigkeitsbereiches aus. Im Fall der Sommerfeldzahl ist das u.a. die Einschränkung auf quasi-stationäre Betreibszustände. Inwieweit das auf die Gleitlager in einem Motor zutrifft ist eine ganz andere Frage - im Arbeitstakt wirkt die Last im LAger auf die untere Hälfte des Lagers (Der Kolben drückt die Kurbelwelle runter), im Ansaugtrakt wirkt die Last auf die obere Hälfte des Lagers (Die Kurbelwelle zieht den Kolben runter). Sprich, die Belastung wandert im Lager permanent zwischen verschiedenen Punkten hin und her. Nicht unbedingt ein stationärer Zustand...

  • [...]
    Man sieht - die benötigte Viskosität ist proportional zu dem Verhältniss aus Drehmoment und Drehzahl. Also so, wie von @53Fatman vermutet hat und genau umgekehrt, wie von dem Nutzer auf oil-club.ru behauptet. Die Formel, bzw. Aussage im Ausgangspost ist also schlichtweg Blödsinn.

    Und das macht schon 100x mehr Sinn als alles was ich bisher hier im OC zu diesem Thema lesen musste :S :thumbup:

    Aber den nötigen HTHS können wir trotzdem noch lange nicht berechnen, oder hast du diesbezüglich noch Infos?

  • Man sieht - die benötigte Viskosität ist proportional zu dem Verhältniss aus Drehmoment und Drehzahl. Also so, wie von @53Fatman vermutet hat und genau umgekehrt, wie von dem Nutzer auf oil-club.ru behauptet. Die Formel, bzw. Aussage im Ausgangspost ist also schlichtweg Blödsinn.


    Er hat so etwas nicht gesagt. Er sagte ein paar Mal auch, daß dies nur ein Teil der große Gleichung. -

    https://www.oil-club.ru/forum/profile/…_core_pfield_15

  • Ok, zugegebenermaßen kann ich kein Russisch, was er also wirklich geschrieben hat weiss ich nicht - ich habe mich nur auf das Zitat im Ausgangspost bezogen.

    Aber der Zusammenhang "HTHS = Drehzahl durch Drehmoment" ist eben kein "Teil der ganzen Gleichung", sondern falsch. Der Zusammenhang ist genau andersrum (das steht ja sogar auch auf der verlinkten Seite).