Besonderheiten bei Hochdrehzahl-Motoren

  • Im Titel steht eigentlich schon alles. Ich habe ja neuerdings eine Honda PCX 150, ein Motorroller mit 150ccm und 13,6 PS und eine Max Drehzahl von über 9000 U/min. Das ist nicht viel im Vergleich zu den Hochleistungsmotoren in den Superbikes oder Rennwagen, trotzdem hat es mich wieder auf die Frage gestoßen, warum normalerweise bei Autos bei Umdrehungen von 6000 U/min schon vor einem Schmierfilmabriss gewarnt wird während die doppelte bis dreifache Drehzahl bei diesen Hochleistungsmotoren irgendwie kein Problem zu sein scheint. Ist das in der Motorkonstruktion begründet (extrem kurzhubig vielleicht?) oder hat das was mit ganz speziellen Motoröl-Eigenschaften zu tun?

    Vielen Dank schon mal
    und
    viele Grüße
    Karli

    Ich mache keine private Ölberatung, weil: Habe noch zu wenig Ahnung. :yes:
    (obwohl ich mal dachte, ich hätte Ahnung davon :lach3: )

  • Die Fähigkeit zur Hochdrehzahl ist tatsächlich in der Konstruktion des Motors begründet. Grundsätzlich kann man sagen, dass kleine Motoren höhere Drehzahlen unbeschadet erreichen.
    RC-Modellmotoren (z.B. 3,5 ccm) erreichen problemlos 30.000 rpm, Großdiesel vom Format eines Einfamilienhauses sind oft mit 200 rpm schon ausgereizt.
    Ja, der Hub ist da eine wesentliche bestimmende Größe, je mehr Hub, desto höher die mittlere Kolbengeschwindigkeit bei gleicher Drehzahl. Je mehr Masse insbes. die oszilierenden Teile des Motors haben, desto höher die Spitzendrücke in den KW und Pleuellagern. Diese müssen dann nicht nur breiter, sondern auch größer im Durchmesser ausgelegt werden, was wiederum zu höheren Umlaufgeschwindigkeiten im Lager führt.
    Beim 4-Taktmotor müssen auch noch die Ventile bewegt werden. Da braucht man bei großen Motoren große Ventile oder mehr davon und erst das Produkt aus Ventilquerschnitt und Ventilhub ergibt den, für den Gasaustausch nutzbaren Querschnitt. Große Ventile sind schwerer, als kleine, große Ventilhübe ergeben steilere Rampen an den Nockenwellen, was zu höheren Drücken in dem Bereich führt. Schwere Ventile müssen mit entsprechend stärkeren Federn in ihren Sitz zurückgeholt werden. Das ganze funzt bei einer vorgegebenen Masse von Ventil und den anteiligen bewegten Teilen des Ventiltriebs und einer vorgegebenen Federrate auch nur bis zu einer bestimmten Drehzahl, darüber gibt es selbstzerstörendes Chaos. Beliebig lässt sich die Federrate auch nicht erhöhen, weil dadurch wieder die Drücke an der Nockenwellle ansteigen.

    Aktuelle Fahrzeuge: Audi S1/2015, Suzuki DR 800/1997, Suzuki GSX 1400/2004

  • ...warum normalerweise bei Autos bei Umdrehungen von 6000 U/min schon vor einem Schmierfilmabriss gewarnt wird während ...

    Hmmm? Wer warnt davor? Davon habe ich noch nie etwas gehört. :überleg:
    Zu Deiner Frage ansich. Aus meiner Sicht kommt es immer auf die effektive Geschwindigkeit der beiden Komponenten an, die miteinander arbeiten. Kurzhubige Motoren haben trotz der hohen Drehzahlen meist keine höheren Kolbengeschwindigkeiten. Ebenso die Umfangsgeschwindigkeiten an Pleuellagern usw. sind meist nicht wesentlich höher, da die Lager kleiner dimensioniert werden können durch das kleinere Drehmoment. Sprich - Kurbelwellen etc. sind bei hochdrehenden Motoren kleiner.
    Die Bauteile, die wirklich höher belastet werden, sind aus meiner Sicht Nockenwellen, Steuerketten und Ventile samt Federn. Die Ventile sind klar auch kleiner und haben eine geringere Masse. Aber die Federn müssen so dimensioniert sein, dass die Ventile bei hohen Drehzahlen sicher schließen, ohne dass die "nachschwingen".

    Edit: @isaucheinname :D 2 Dumme - ein Gedanke!

  • Danke für Eure Antworten.

    Also ihr meint, ein Schmierfilmabriss an den Kolben wäre bei normalen Drehzahlen also z.B. 6000 U/min bei Autos eher nicht möglich.

    Ab welcher Drehzahl oder Kolbengeschwindigkeit könnte das denn passieren, wenn man normale Motoröle ( z.B. in der Art Meguin SL 5W40) verwendet und diese Öle noch nicht am Ende sind also sagen wir jünger als 250 Stunden?

    Die Problematik mit den Ventilen, die durch die Ventilfedern wieder geschlossen sein müssen, bevor der Kolben oben ankommt, war mir schon klar. Dass die Pleuel- und Kurbelwellenlager auch empfindlich gegen zu hohe Drehzahlen sein könnten, ist mir völlig neu, aber absolut einleuchtend. Danke für diesen Hinweis. :check:

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  • Die Maximaldrehzahl hat nichts mit dem Motoröl zu tun. Auf die Spitze treibt man es bei Motoren mit pneumatischer Ventilsteuerung, wo Gasdruck die Funktion der Ventilfedern übernimmt. Sehr leichte, feste und kurzhubige Konstruktion, und die Ventile schließen mit Gasdruck. So erreichen die Formel 1 Motoren wahnsinnige Drehzahlen.

    Mit steigender Drehzahl steigen auch alle Kräfte überproportional an, in den Lagern, aber auch zwischen Kolben und Zylinder. Bis man statt Flüssigkeitsreibung Mischreibung bekommt. Der so genannte " Schmierfilmabriss".

    Blödes Wort, weil hier nichts abreißt weil es nicht mehr folgen kann.
    Es bewegten sich Teile relativ zueinander, und dazwischen befindet sich Öl. Die Teile berühren sich bei zu hohem Druck im Verhältnis zu Geschwindigkeit und Viskosität (Tragfähigkeit hydrodynamischer Schmierung), oder bei Mangelschmierung.

    Mazda RX8 ロータリーエンジン - Rōtarīenjin

    Motor: :ams: XL 10W-40
    Getriebe: :rav: VSG 75W-90
    Achsgetriebe: :ams: Severe Gear 75W-90

  • Als Schallmauer für Motorradmotoren hab ich noch aus grauer Vorzeit 20 m/s mittlere Kolbengeschwindigkeit im Hinterkopf.
    Das galt eher für Grossserienmotoren, nicht für Rennmotoren mit extrem leichten und hochfesten Komponenten.
    Bei den langhubigen, nur sehr kurz in Betrieb befindlichen und per Methanol mit extremer Innenkühlung glänzenden Bahnmotoren waren und sind die Kolbengeschwindikeiten haarsträubend.
    Was bei der Belastung der Kolben/Zylinder auch was ausmacht, ist das Hub-/Pleuelverhältnis. Bei ansonsten gleicher Auslegung hat ein Motor mit längerem Pleuel entsprechend weniger Druckbelastung auf die Zylinder/Kolben quer zur KW-Achse. Das wird aber heutzutage durch aerodynamische Fahrzeugformen limitiert, weil die Motoren so klein (also auch niedrig) wie möglich sein sollen. Beim Kippen nehmen sie je nach Einbaulage wieder mehr Platz seitlich oder nach vorne/hinten in Anspruch. Geht alles nicht, die Leute, die bei der Fahrzeugentwicklung für das "Package" verantwortlich sind feilschen mit den anderen Entwicklern um mm.

    Aktuelle Fahrzeuge: Audi S1/2015, Suzuki DR 800/1997, Suzuki GSX 1400/2004

  • Audi hat bei den R8 V10 Büchsen bei max Drehzahl 26,91 m/s.


    Da würde ich persönlich die Haltbarkeit doch mal anzweifeln. Selbst bei Pmax liegen ca. 25 m/s an.

    Aber vermutlich sehen die Dinger eh nie soviel Kilometer, dass der Verschleiß bemerkt wird.

    Grüße Steffen :service:

    A Turbo: exhaust gasses go into the turbocharger and spin it. Witchcraft happens and you go faster :flitz:
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    BMW F87 M2
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  • Das ist ne Faustformel! Höhere Drehzahlen lassen sich durch leichtere (gleichzeitig gleichfeste oder festere) Materialien erreichen. Es gibt ja nicht umsonst Schmiedepleuel und Titanventile und dieses ganze Hightech Gedöns! 8o :thumbsup:
    Irgendwann kommt man trotzdem in einen Bereich, in dem man einfach mit dem Verschleiß leben muss. Siehe Top Fuel Dragster, deren Motoren nach jeden Lauf (1/4 Meile) zerlegt und revidiert werden.

  • Das ist ja alles noch moderat. Ich hätte gedacht, die hochdrehenden Motorräder oder so ein R8 hätten wesentlich höhere Kolbengeschwindigkeiten. Welche Kolbengeschwindigkeiten haben Formel1 Boliden denn so ungefähr?

    Ich mache keine private Ölberatung, weil: Habe noch zu wenig Ahnung. :yes:
    (obwohl ich mal dachte, ich hätte Ahnung davon :lach3: )

  • Wesentlich höher? Viel mehr geht kaum, das dürfte die absolute Grenze in Straßenautos sein.

    Der S54B32 war 2001 schon extrem mit einer Kolbengeschwindigkeit von >24m/s @ 8000upm, das Problem ist gar nicht die Kolbengeschwindigkeit ansich, sondern das es Langhuber sind. Der S54 hat 87mm Bohrung und 91mm Hub. Der R8 setzt mit 93mm Hub und 8700upm nochmal was drauf. Das ist wirklich viel. Ein Motorrad, Formel 1 Fahrzeug bzw. die meisten anderen Hochdrehzahlkonzepte sind absolute Kurzhuber, sonst sind Drehzahlen >9000 einfach kaum drin.

    Der letzte BMW V10 F1 der P85 machte 19.800upm, hat aber auch nur 26,24m/s (mittlere!) Kolbengeschwindigkeit, der Peak ist natürlich höher, aber auch beim Langhuber, immer ca. x 1,6. Aber der Motor hat 98mm Bohrung und nur 39,75mm Hub! Und hält ~1600km Rennbetrieb...

    Hier was über die geilsten F1 Motoren https://8000vueltas.com/wp-content/upl…-F1-engines.pdf

    Gruß

    Karsten

  • Das ist ja auch nicht viel mehr. Die Motoren sich aber auch erstaunlich kurzhubig. So extrem hätte ich das nicht erwartet. Wenn ich mir die Motoren der letzten Threads anschaue, dann scheint 27m/s so eine Art 'Schallmauer' zu sein.

    Ich mache keine private Ölberatung, weil: Habe noch zu wenig Ahnung. :yes:
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  • Dann will ich auch mal:

    Mein Motor hat ne Grenzdrehzahl von 7000 U/min, da gibt’s aber auch schon Valve Float... :D
    Nen elektrischen Drehzahlbegrenzer hat der nicht.

    Die Kolbengeschwindigkeit liegt da bei dem Langhuber bei 20.06 m/s.
    Und das mit API SE Ölen in den 80ern.

    Ich denke also, darum sollte man sich nicht so einen Kopf bei der Ölwahl machen. :)

    :val: :gulf: :qoi:

    '88 Mitsubishi Galant (4G37, 185tkm): Q8 F1 10W-50
    '96 Toyota Starlet (4E-FE, 190tkm): ROWE Synt. RSi 5W-40
    '03 Renault Clio (K4J, 120tkm): Shell Helix HX6 10W-40

    "Wir schaffen Institutionen, Regierungen und Schulen, um uns im Leben zu helfen, doch jede Institution entwickelt nach einer Weile die Tendenz, sich nicht mehr so zu verhalten, als sollte sie uns dienen, sondern als sollten wir ihr dienen. Das ist der Moment, wenn das Individuum mit ihnen in Konflikt gerät.“ - Miloš Forman