22.01.2018
Alles anzeigenNicht mit Wasser gekocht
Auf dem Prüfstand: Im Flammpunktmessgerät lässt sich ermitteln, bei welcher Temperatur eine Flüssigkeit sich entzündet.
Foto: Schwarzwälder Bote
Nicht so dünnflüssig wie Wasser und nicht so leicht entzündlich wie Öl: Benjamin Raible (rechts), Laborleiter von Boss Lubricants, und sein Mitarbeiter Fabian Schmid mit der neuen Hydraulikflüssigkeit Novarol Safe SRF.
Fotos: Kistner Foto: Schwarzwälder Bote
Die Ebinger Firma Boss Lubricants stellt Schmierstoffe her – aber keine profanen Motorenöle, sondern Mittelchen, die scheinbar unvereinbare Eigenschaften miteinander vereinen. Jetzt hat sie eine neue Hydraulikflüssigkeit entwickelt, die den Markt revolutionieren könnte.
Albstadt-Ebingen. Das Problem ist alt, aber wirklich befriedigende Lösungen gab es bisher nicht: Wenn Hydraulik in einem extrem heißen Umfeld eingesetzt wird – der Standardfall ist der Metallguss – , dann sollte die Hydraulikflüssigkeit nicht unbedingt leicht entflammbar sein; andernfalls droht beim kleinsten Leck im Schlauch oder Ventil ein flammendes Inferno. Im Tunnel- und Bergbau, um ein weiteres Beispiel zu nennen, werden daher keine Hydrauliköle eingesetzt, sondern nur hydrophile Hydraulikflüssigkeiten, im Regelfall WasserGlykol-Mischungen, kurz HFC genannt. Glykole sind dem Normalverbraucher als Frostschutzbestandteil geläufig; dem einen oder anderen sind sie möglicherweise noch in Zusammenhang mit österreichischem Wein erinnerlich – wobei das wirklich sehr, sehr lange her ist. HFC brennt schlecht oder gar nicht und ist dank der Beigabe von Polyglykolen, die als Geliermittel fungieren, dickflüssiger als reines Wasser, dessen Viskosität für den Einsatz als Hydraulikflüssigkeit nicht ausreicht.
Aber auch HFC hat seinen Pferdefuß: Es ist gesundheits- und umweltbelastend – Stichwort Weinskandal! – und es verursacht Probleme, die beim Einsatz von Öl als Hydraulikflüssigkeit nicht auftreten: Wenn wässrige Hydraulikflüssigkeiten starken Druckwechseln ausgesetzt werden – die in modernen Produktionsanlagen aufgrund beschleunigter Fertigungsrhythmen an der Tagesordnung sind – dann machen sie Anstalten zu verdampfen. Die Folge ist ein Phänomen, das die Fachleute Kavitation nennen: Der Dampfdruck entlädt sich nach innen; es kommt zu einer Implosion der Dampfblasen im Hydrauliksystem, vergleichbar dem berüchtigten Fernsehröhrenkollaps aus den Pioniertagen der Television.
Der Implosion folgt der Impuls nach außen, und der zieht naturgemäß seine Umgebung in Mitleidenschaft: An Druckgussmaschinen, die mit einer Geschwindigkeit von sieben Metern pro Sekunde 700 Grad heißes flüssiges Aluminium in die Gussformen von Motorblöcken oder Getriebegehäusen einschießen, treten regelmäßig Kavitationsschäden auf: Verschleißmarken, "Orangenhaut" am Metall, im ungünstigsten Fall der durchaus lebensgefährliche "Schlauchplatzer". All das kostet Geld und – was schlimmer ist – Kundenvertrauen. Wobei der Kunde bisher nicht wirklich die Wahl hatten – es kochten buchstäblich alle mit Wasser.
Bisher. Denn jetzt hat Boss Lubricants eine Hydraulikflüssigkeit entwickelt, die scheinbar Unvereinbares unter einen Hut bringt: Novarol Safe SRF – so heißt der Wunderstoff – ist schwer entflammbar wie ein Wasserglykol, besitzt aber vergleichbare Schmiereigenschaften wie Öl und einen hohen Siedepunkt: Es kann auf bis zu 320 Grad Celsius erhitzt werden, ohne dass Dampf und Blasen auftreten – bei HFC geschieht das unter Umständen schon bei unter 100 Grad. Eine entsprechend gute Figur macht Novarol Safe in der Hitze des Gefechts: Der Schweizer Druckgussmaschinenhersteller Bühler hat die Flüssigkeit dem direkten Testvergleich mit HFC unterworfen, und während bei HFC schon nach einem Vierteljahr die Kavitationsschäden unübersehbar waren, war das Material, das mit dem Ebinger Konkurrenzprodukt arbeitete, auch nach 18 Monaten Laufzeit praktisch unversehrt.
Ein weiteres Plus: Novarol Safe SRF ist biologisch abbaubar, nicht gesundheitsschädlich und dazu zehnmal haltbarer als der wässrige Wettbewerber. Dass es nicht gerade ein Billigprodukt ist, fällt unter diesen Umständen nicht ins Gewicht – diese Anschaffung hat sich schnell amortisiert.
Quelle: https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.albstad…57dace5dbb.html