Also wird derjenige einfacher zu einem Lehrer, der nach modernen Methoden lehrt, der selbst kaum in der Schule war.
Das bedient dann aber etliche Klischees...
Ach, was gute Lehrer ausmacht und welche Theorie bzw. welches Paradigma nun das Beste ist, darüber wird auch heute noch gestritten, die moderne Methode gibt es daher gar nicht, aber es besteht natürlich ein Mainstream. Über ein bisschen Geschichte kann ich gerne aufzeigen, wie auch in der Wissenschaft nicht das gelehrt wird, was wahr oder näher an der Wahrheit ist, sondern mitunter auch das, was von mächtigeren Interessengruppen vertreten wird und dann wird der Blick auf "moderne Methoden" etwas relativiert und zwar in dem Sinne, das modern nicht (immer) etwas heißen muss...
Früher wurde Lernen als reine Reiz-Reaktions-Verbindung im behavioristischen Sinne bzw. im Sinne des klassischen Behaviorismus angesehen, der seit der sogenannten kognitiven Wende hin zum Kognitivismus (der natürlich auch Fehler macht, aber das ist ein anderes Thema) tot ist.
Der Behaviorismus stieg insbesondere ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf und hat dann später ausgehend den USA und deren Sieg im 2. Weltkrieg weitere Teile der Welt dominiert.
Der Behaviorismus verstand Lernen, wie schon geschrieben, ursprünglich als reine Reiz-Reaktions-Verbindung: spezifische Reize werden in Form der klassischen und operanten Konditionierung mit wiederum final spezifischen Reaktionen gekoppelt. Lernen konnte empirisch somit nur über äußerlich beobachtbares Verhalten erforscht und definiert werden (Psychology of the Other-One); nur über diesem Wege seien sichere und objektive Aussagen möglich; das Erleben bzw. die kognitive Ebene sei rein subjektiv; sie wurde zwar bezüglich ihrer Existenz nicht geleugnet, aber für die Wissenschaft und reliable Aussagen vollends ausgeklammert. Der Behaviorismus folgte somit den immer stärker werdenden Naturwissenschaften im Sinne eines Materialismus/Physikalismus.
Es handelte sich um eine reine Verhaltenslehre, die den Menschen als Blackbox und Empty-Organism ohne Intentionalität betrachtete, der grundsätzlich durch mehr oder weniger vollständig durch die Umwelt determiniert sei. Somit wurden im Behaviorismus auch Entwicklungsprozesse als Lernprozesse, ausgelöst durch die Umwelt, identifiziert.
Bereits der deutsche Physiologe Erich von Holst und der Biologe/Ethologe Konrad Lorenz hatten schon in den 1930er Jahren klare Befunde gegen den Behaviorismus fundiert; Lorenz war damals auch in den USA. Nur gegen diese auch wissenschaftliche Weltmacht konnten sie sich nicht durchsetzen. Ein damalig diskutiertes Thema (neben zig anderen) war z.B. das der Lokomotorik. Dieses handelte von der Fortbewegung von Lebewesen, das behavioristisch über eine Reflexkette erklärt wurde – über verschaltete Muskelkontraktionen in Kettenfolge. Von Holst trennte entsprechende Nervenverbindungen und es zeigte sich, dass die Bewegung über die Spontanaktivität des ZNS koordiniert am Leben erhalten wurde, sie somit nicht rein durch die Umwelt determiniert war. Ein Schlag ins Gesicht für den Behaviorismus... Die Spontanaktivität ist das, was heute bald 90 Jahre später in den Neurowissenschaften wieder richtig in der Forschung aufersteht bzw. immer stärker im Fokus steht...
Ulkigerweise kamen erste weitreichendere Ansätze gegen den Behaviorismus und seines Lernverständnisses dabei durch die Waffentechnik innerhalb des 2. Weltkrieges; es sollten Geschosse entwickelt werden, die selbstständig bewegliche Ziele verfolgen, was die Forschung und Arbeit an Elektrogehirnen initiierte. Die Behavioristen konnten für diese Aufgabe natürlich keine Unterstützung leisten, da sie Verhalten nicht als Lernen und Lösung von Aufgaben ansahen, da jene Prozesse für sie teleologisch-vitalistisch ausfallen angesehen wurden... Dagegen folgten Antworten seitens der Physiologen, die einem System bzw. einem Organismus intrinsische Faktoren zuschrieben, die dem Überleben dienen und ein rein passives System verwerfen, das eben komplett durch die Umwelt determiniert sei... Über die Jahrzehnte kamen dann immer mehr erdrückende Befunde aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, jene den Behaviorismus als falsch fundierten...
Statt das aber einzusehen, gingen die Behavioristen hin und versuchten die Ergebnisse der Wissenschaft, jene gegen ihr Paradigma sprechen, so umzuinterpretieren, als dass sie in eben jenes hineinpassen. Soviel zu den ehrlichen und ehrenhaften Wissenschaften. Natürlich konnte das auch nicht mehr helfen, der Anfang vom Ende stand für den Behaviorismus vor der Haustüre.
Und heute?
Heute dominieren konstruktivistische Lerntheorien bzw. der Konstruktivismus, wobei auch wieder viele Unterformen desselben bestehen. Beispielsweise geht der Radikale Konstruktivismus insbesondere auf den Philosophen Ernst von Glasersfeld, dem Kybernetiker Heinz von Foerster und die Neurobiologen Humberto Maturana und Francesco Valera zurück. (Valera schätze ich aufgrund seiner Neurophänomenologie.) Aber der Radikale Konstruktivismus ist eine meiner Meinung nach stark fehlerhafte Erkenntnistheorie, die Ausgangsbasis ist schon falsch und daher auch der ganze theoretische Aufbau... (kurzum: Schwachsinn – und mit der Meinung bin ich nicht zum Glück alleine...) und im grundsätzlichen Maße fußen viele moderne Lerntheorien im pädagogischen Bereich auf diesem. Genauso sind heute viele Sozialwissenschaftler Konstruktivisten. Die grundsätzlichen Argumente des Konstruktivismus, um seine Position zu fundieren, klingen für die meisten Laien verständlich und nachvollziehbar. Erst wenn man sich in der Materie etwas mehr auskennt oder tiefer forscht und nachdenkt, wird verständlicher, was dort eigentlich für extreme Grundhypothesen behauptet werden, auf denen diese Erkenntnistheorie baut. Aber es dauert wahrscheinlich noch etwas (oder lange), bis auch dieser flächendeckend gestürzt wird.