Verschleiß Steuerkette

  • Hallo,

    bei Motoren ohne Schaden ist in den GÖA beim Verschleiß überwiegend Eisen das bestimmende Thema. Als Ursache dafür wird hier im Forum u.a. die Steuerkette angenommen. Es bietet sich daher an, dies in der Fachkunde fundierter zu betrachten.

    Als Einstieg ein interessanter Artikel dazu: Timing chain wear investigation methods. Der Artikel ist original auf englisch, im Anhang ist die deutsche Übersetzung. Von den im Artikel vorgestellten Methoden ist die Verschleißmessung mit Radionuklidtechnik (RNT) (Kap. 5.2.) sehr praxisnah:

    Die Steuerkette wird radioaktiv gemacht und entsprechend sind die Eisenverschleißpartikel auch radioaktiv. Die Radioaktivität der Partikel im Ölfilter, aber auch der filtergängigen Partikel wird gemessen: Je höher die Radioaktivität, desto mehr Eisenverschleiß. Radioaktiver Verschleiß kann somit nur von der Kette kommen, da ja nur die Kette radioaktiv markiert ist. Der Verschleiß ist das Spiel zwischen den Kettengliedern, wird in nm/h gemessen, und findet im Grenzreibungsregime statt. (nm=Nanometer, ein tausendstel eines µm).


    Im Artikel schreiben sie u.a.:

    - Durchschnittliche Ketten müssen eine mittlere Verschleißrate unter 8…10 nm/h aufweisen (d.h. die Kette längt sich pro Stunde Laufzeit um 8...10 nm), um die erwartete Lebensdauer (250000 ... 300000 km) zu erreichen. Im Vergleich dazu weisen die meisten Steuerketten unter normalen Betriebsbedingungen bei gutem Schmierstoffzustand eine Verschleißrate unter 2 nm/h auf.

    - Der Kettenverschleiß nimmt proportional zur Motordrehzahl und -last zu.


    Es wurde der Einfluss der Blow-by-Gase untersucht:

    Originales Blow-by-System:

    - Der Gesamtverschleiß der Kette im Kaltlauf (Öl konditioniert auf 20 bis 50 °C) ist 30-mal so hoch wie im Warmlauf (Öl konditioniert auf 110 bis 140 °C) für die gleiche projizierte Entfernung.


    Blow-by-Gase aus dem Kurbelgehäuse abgesaugt:

    - Der Verschleiß verringerte sich im Kaltlauf um die Hälfte, änderte sich aber im Warmlauf nicht. Dies wurde durch Oberflächenanalysen bestätigt: Die durchschnittliche Verschleißtiefe der Pins nach 500 Stunden betrug 3 μm nach Warmlauf, 15 μm nach Kaltlauf mit Original-Blow-by-System und 7 μm nach Kaltlauf mit abgesaugten Blow-by Gasen. Der Grund für den Unterschied liegt darin, dass bei niedrigen Temperaturen Wasser, Säuren (Schwefel- und Salpetersäure) und Kraftstoff aus den Blow-by-Gasen kondensieren. Säuren sind stark ätzend und greifen zusammen mit Wasser metallische Oberflächen und Öl an. Der Kraftstoff verdünnt das Öl und verringert seine Viskosität, was seine Schmierfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Wasseremulsion, saure Verunreinigungen und Ölabbau können durch Absaugen von Blow-by-Gasen reduziert werden, aber die Kraftstoffverdünnung bleibt bestehen.


    Der Einfluß von E85 wurde untersucht:

    - Tests haben gezeigt, dass E85 den Verschleiß der Kettenbolzen im Kaltlauf um 20 % im Vergleich zu RON95-Kraftstoff erhöht. Bei Heißlauf steigt der Verschleiß stark an; in diesem Fall ist der Verschleiß bei E85 ca. 30 % höher. Ursache für erhöhten Verschleiß im Heißbetrieb ist die Kavitation des Kraftstoffs im Öl, die in den Kettengelenken auftritt.


    Benziner:

    - Unter Verwendung von Altöl (15000 Km) verdoppelte sich der Verschleiß an den mit Vanadium beschichteten Kettenbolzen im Durchschnitt, und der Verschleiß an den unbeschichteten Platten stieg im Durchschnitt um das Zehnfache. Der Einfluss der Temperatur war auch auf den Verschleiß nachweisbar; bei 120 °C hatte die Öltemperatur einen etwas höheren Verschleiß als bei 90 °C, aber dieser Unterschied war für die Lebensdauer der Kette nicht signifikant.


    Diesel:

    - Während der Versuchsreihe wurde der Steuerkettenverschleiß mit verschiedenen Ölen gemessen: neues 0W-20, neues 0W-30 und eine gebrauchte Version des gleichen 0W-30-Öls aus einem 200-Stunden- Prüfstandstest (entspricht etwa 15.000 km, das ist das vorgeschriebene Ölwechselintervall für diesen Motor). Das Ergebnis war eine Verschleißrate von 0,5 bis 0,8 nm/h in allen Betriebspunkten bei beiden Frischölsorten, was ausreichend niedrige Werte sind. Mit dem 200 Stunden gebrauchten 0W-30-Öl stieg der Kettenverschleiß deutlich an und führte zu Verschleißraten von 7,2 bis 11,2 nm/h in verschiedenen Betriebspunkten, mehr als das Zehnfache der Werte, die mit neuen Ölen gemessen wurden.


    Schlussfolgerungen aus den vorgestellten Studien sind, dass die Art des verwendeten Kraftstoffs, die Nutzung des Motors, die Kraftstoffverdünnung durch den Motorbetrieb, der Rußgehalt und die Ölalterung den Verschleiß von Steuerketten stark beeinflussen. Tests an Benzin- und Dieselmotoren, die mit Buchsen- und Zahnketten ausgestattet sind, haben gezeigt, dass gealterte, abgenutzte, versäuerte, stark verrußte und mit Wasser und Kraftstoff verdünnte Öle den Verschleiß um mehr als das Zehnfache erhöhen können.


    Hilft also nur möglichst keine Kurzstrecke fahren, Öl immer auf Temperatur bringen und Ölwechsel rechtzeitig mit gutem Öl machen, kein E85, wenn das Gewissen es zulässt AGR optimieren, vernünftig fahren, hoffen das wenig Blow-by-Gase entstehen, wenn möglich höhere Viskosität.


    Gruß

    Steuerkette_007

  • Schöner Artikel, allerdings habe ich Probleme mit der Annahme, dass Fe-Verschleiß hauptsächlich von der Kette kommt. Gerade bei Graugussbuchsen oder plasmagespritzen Linerbeschichtungen hat man wahrscheinlich allein schon von der Geometrie her viel mehr Fe als potentielle Verschleissquelle.

  • Hallo,

    den 2. Satz habe ich angepasst. Überrascht hat mich das Blow-By-Gase bei kaltem Motor so einen großen Einfluss haben (liegt wohl daran das Öl/Additive noch nicht optimal wirken) und das bei E85 Kavitation in den Kettengelenken eine Rolle spielt. Der Siedepunkt von E85 ist 78°C, das erklärt das dann.

    Gruß

    Steuerkette_007

  • 1200ccm der Nachweis wurde doch durch die radioaktive Aktivierung der Kette erbracht, radioaktive Partien können nur von der Kette kommen. So lese Ich es zumindest

    Eclipse Cross 2.2 DCI Active+, 4x4, 8 Gang Aisin Wandler Automatik

    :fu: Titan GT1 Flex C23

    :maol: 7919 Legend Extra 0w30

  • Steuerkette_007 : mit Deiner kleinen Änderung im zweiten Satz bin ich 100% bei Dir. 👍🏼

    Klaus und Superbernie: klar, wenn nur Eisen aus der Kette markiert wurde, dann ist die gemessenen Aktivität auch nur von der Kette- das war aber nicht mein Punkt.

    Superbernie: ich denke man kann schon den Namen der Firma nennen, war doch sicher die IAVF draußen im Rheinhafen, oder?

  • Spricht für kurze ÖW-Intervalle und gegen LL-Intervalle. Bei Kurzstreckenbetrieb sogar für sehr kurze ÖW-Intervalle.

    Die Verschleißunterschiede kalter zu warmer Motor sind bemerkenswert hoch.

    AGR ist grottenschlecht für den Motor, was aber schon bekannt war.

    Der mögliche Einfluß unterschiedlicher EP-AW-Additive wurde nicht erfaßt, falls ich das richtig interpretiere. Wäre auch noch interessant gewesen.

    (Man könnte eventuell herauslesen, daß für Kurzstrecken-Autos ein Zahnriemen evt. sogar geeigneter wäre als eine Steuerkette)

    Rechtlicher Hinweis - Haftunsausschluß: Ich übernehme für obiges keine Haftung. Meine Beiträge sind in bezug auf §645Abs.2 BGB (bzw. analoge gesetzl. Regelungen im Rest der Welt) als laienhafte Ratschläge / Empfehlungen anzusehen. Anwendung auf eigene Gefahr. Es entsteht kein Vertragsverhältnis. Gilt ebenso für grobe Fahrlässigkeit.

    Die E-Mobilität wird sich nie durchsetzen :fiwo:("Rohrkrepierer"). Synthetischen Kraftstoffen (HVO, XTL) gehört die Zukunft.:check:

  • Indirekt schon. 0W-20 und 0W-30 dürften doch recht unterschiedliche EP-AW-Additive haben. Diese wurden dann nicht explizit und systematisch untersucht, das stimmt. Aber alleine, dass die Ergebnisse ähnlich sind, deutet das eher drauf hin, dass die beiden Öle gleich gut funktionieren.

    Gruß Edwin

    ---

    BMW F31 LCI 320dA (2015) [B47D20] 1207839.png

    Motoröl: :fu: Titan GT1 PRO 2290 5W-30 + 6 Additive :döba: = >20 % Additive | Getriebeöl: :fu: Titan ATF 6008 | Sprit: EN-590 Diesel + :maol: 9930 Diesel Ester

    Opel Speedster Turbo (2001/2003) [Z20LET] 1207841.png

    Motoröl: :rav: RHV Racing High Viscosity 20W-60 | Sprit: :aral: Ultimate 102

    Smart #1 Brabus

  • sehr schöne Zusammenfassung des Artikels Steuerkette_007

    Aetvyn

    0w20 und 0w30 unterscheiden sich halt nicht nur beim Grundölpaket, sondern auch in den Additiven

    0w20 inkl. HTHS Absenkung macht "andere" Additive zum Verschleißschutz notwendig, als wir es von höherer HTHS und bspw. 30er Visko kennen

    das man das nicht weiter untersucht, finde ich OK, weil im Grunde sind die Öle von der Wirkung und Zielsetzung identisch, sie gehen lediglich einen anderen Weg


    und als Fazit, zumindest wenn man mal den Vergleich 0w20/30 bei den Dieseln sieht....

    - Öl ist egal

    - Intervall muss angepasst sein, also maximal 200-250 Stunden, bei vielen Kaltstarts noch kürzer

    Blow By kann man ja außer durch die Fahrweise nur schwer beeinflussen

    und inwieweit man sich zur AGR Optimierung hinreißen lässt, muss jeder mit seinem gewissen vereinbaren ;)


    was noch interessant sein könnte, im Rahmen der VW Normen 504.00/507.00 ist der RNT Test "inklusive"

    vermutlich auch wieder bei der 508.00/509.00

  • Eventuell hatte ich es überlesen, aber ist der Kraftstoff und Rußgehalt in dem 200h altem Öl bekannt?

    Gruß Andreas
    Benz C220d OM651 (125kW): Kroon PolyTech 5W-30, RUP 5W-40 (+AR9100)
    NewBeetle Cabrio 1.8T (110kW): Total 7000 10W-40, RUP 5W-40 (+WS2 +Rektol Keramik Verschleißschutz +Rektol Super 2T)
    Honda F360 (Gartenfräse 3kW): Castrol Supercar 10W-60 +WS2 (+AR6900)
    Zipper Zi-RPE60 (Rüttelplatte, 4kW): Castrol Supercar 10W-60 +WS2 (+2T Öl)

  • Mega Beitrag! Hochinteressant!
    Vielen Dank :check:

    AndiG

    Du schreibst in #12 das sich 0W-20 und 0W-30 im Grundölpaket unterscheiden UND in den Additiven.

    Woher hast Du diese Informationen?
    Ich frage deshalb weil mir Daten vorliegen wo mittels gleichem Grundöl 0W-20 (HTHS => 2,6/2,75) und 0W-30 (HTHS => 2,9/3,5)

    hergestellt wird. Diese Öle haben:
    - das gleiche Grundöl (Unterschied 6 Massenprozent)
    - das gleich Additivpaket mit genauer gleicher Prozentzahl

    - zwei Booster gleich, Prozente leicht unterschiedlich
    - das 0W-30 einen Booster mehr hat (Anteil hier 0,60 Massenprozent; vermutlich um eine bestimmte Freigabe zu erhalten)

    Geschichten aus dem oil-club1:
    Eine Partynacht mit PAOla und ESTER


    Rechtlicher Hinweis - Haftunsausschluß: Ich übernehme für diesen obigen Forumsbeitrag keine Haftung. Meine Forumsbeiträge sind in bezug auf §645Abs.2 BGB (bzw. analoge gesetzl. Bestimmungen im Rest der Welt) als laienhafte Ratschläge bzw.laienhafte Empfehlungen anzusehen. Anwendung dieser erfolgt auf eigene Gefahr. Es entsteht kein Vertragsverhältnis mit mir. Gilt auch für Vorsatz, arglistige Täuschung und grobe Fahrlässigkeit.

  • Der Test ist wirklich mega. Interessant wäre noch wie verhält sich full-saps zu low-saps oder B zu Mo usw.? Das heißt, welches Additiv(paket) ist am besten für die Steuerkette (bei gleicher Visko). Vermutlich aber zu aufwändig, das Leben ist eben kein Wunschkonzert ...

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  • welche Öle sind das Wurzel

    welche Daten hast du?

    vergleichst du PDS/SDS oder kennst du:

    das konkrete Grundölrezept, sprich sortengenaue Mischung?

    hast konkrete Info zum gesamten Additivpaket, sprich auch da die genau Info zu den Sorten und deren Mischung

    ich hatte mal einen Link zu Q8 Oils gepostet (ging da um HTHS), aus dem hervorgeht, dass man bei gleicher Anforderung an den Verschleißschutz, bei Ölen mit niedriger HTHS andere Additive verwendet

    Giacomo Agostini

    low vs full geht meiner Meinung nach in eine ähnliche Richtung wie Visko

    früher brauchte es fullSAPS, sprich Dinge wie ZDDP, Schwefel etc pp

    in den modernen Formulierungen wird der Verschleißschutz durch (O)FM, Amine und solche Stoffe sichergestellt und lowSAPS

  • Meine Listen sind nicht Herstellerbezogen (Maier/Müller/Schmidt) sondern von demjenigen wo diese Firmen alle einkaufen (können).
    Um etwas konkreter zu werden kann man mit dem GLEICHEN Grundöl, nennen wir es "XYBASE 4" mit einem Anteilsunterschied von ca. 6 Volumenprozent,

    dem gleichen Additivepakt mit GLEICHER Volumenprozentmenge und noch den 2 GLEICHEN Boostern (in unterschiedlicher Menge)
    Öle herstellen mit 0W-20 (HTHS größer/gleich 2,6) und 0W-30 (HTHS größer/gleich 2,9).
    Dem 0W-30 mixt man noch einen zusätzliche Booster mit unter 1 Volumenprozent unter. (Hier ist aber meine Vermutung das dieser Booster

    für eine bestimmte Werksnorm (Autohersteller) notwendig ist)

    Raus kommt dann ACEA-C5 bzw. ACEA-C2 (und noch ein paar andere Freigaben) in meinem Beispiel.

    Im Grunde finde ich dieses Baukastensystem ziemlich cool! :daumen:

    Geschichten aus dem oil-club1:
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  • Sehr aufschlussreicher Test und danke für die Zusammenfassung!

    Was mir aber nicht ganz klar ist, warum soll der Kettenverschleiß mit zunehmender Motorlast zunehmen?

    - Der Kettenverschleiß nimmt proportional zur Motordrehzahl und -last zu.

    Den Zusammenhang zwischen Verschleiß und Drehzahl kann man sich ja noch irgendwie erklären, aber ob der Motor bei 3000 U/min mit 20% oder mit 95% Last läuft ist dem Ventiltrieb doch erstmal schnuppe, solange Temperaturen usw. gleich sind.

    BMW E39 M52TÜ: :adi: Super Light 0540

    Simson KR51/2: :maol: 2-Takt Plus